Der Weihnachtskampf

Genervt kämpfe ich mich durch die Menschenmassen mit dem Ziel: Geschenke für die Neffen. Ich mache es gerne, aber der Einkauf stresst mich immer wieder aufs Neue.

„Ich wünsche mir das neue Smartphone ZQ3.“

„Ich mir ein gutes Tablet zum Spielen.“

Diese teuren Wünsche. Das Verhandeln ist ein heikler diplomatischer Akt.

„Gibt es nicht was anderes?“, frage ich.

Jetzt entfacht der große Streit.

„Bitte! So teuer ist es nicht!“

„Ich will es aber kriegen. Es hat jeder in meiner Klasse!“

Ich möchte im Boden versinken und kapitulieren. Aber dann fällt mir ein: Weihnachten ist das Fest der Liebe. Die Medien definieren, was diese Liebe ist.

„Sonst halt ein Gutschein und Schokolade“, ertönt es geknickt nach einer heißen Debatte. Das ist die gute Lösung. Da kann man nichts falsch machen – außer im Wert. Unter Fünfzig Euro sollte es nicht sein, sonst kriegt man bloß ein erzwungenes Danke. Die Neffen sind von ihren Eltern sehr verwöhnt.

Weiter eile ich durch die Menge. Alle sind wie verrückt auf der Suche nach Geschenken. Es könnte an der übertriebenen Rabattaktion des Elektromarktes liegen: Sechzig Prozent auf alles – außer Gutscheine!

Im Höchstfall sind es zwanzig Prozent, aber das ist den Meisten egal. Hauptsache es scheint billig zu sein und der Sparwitz zieht vielleicht auch noch.

Wenigstens muss ich nicht zum Elektromarkt. Gutscheine gibt es fast überall. Aber auch da muss man aufpassen, den Richtigen zu nehmen. Der eine will für eine Streamingplattform den Gutschein und der andere für eine Gamingplattform.

Ich krame mir den Zettel mit dem genauen Namen des Gutscheines aus der Jackentasche. Der Zettel entgleitet mir und fliegt auf den nass-kalten Boden. Ein paar mal wird es von Schuhen zertreten, die keine Gnade kennen.

Ich bücke mich hastig und hebe ihn auf. Eine dicke Handtasche knallt gegen meinen Kopf und die Besitzerin bellt: „Passen Sie doch auf!“

Ich möchte etwas erwidern, aber sie ist schon weg.

Halb lesbar stecke ich den Zettel wieder ein und merke mir die Namen der Gutscheine. Im Laden herrscht ein Ausnahmezustand, unterstützt von Werbung, harmonischer Musik und einem dominant süßen Duft. Der Geruch soll Wohlbefinden verursachen, aber bei mir versagt es. Kinder schreien, lange Schlangen an den Kassen und hitzige Debatten der Besinnlichkeit.

Die Gutscheine sind zum Glück leicht zu finden. Ich stehe davor. Zu meinem Bedauern sehr ausgeplündert. Die ganzen fünfzig Euro-Gutscheine sind weg! Ein rotes Schild hängt am leeren Ende mit der Aufschrift: Demnächst wieder verfügbar.

Ich bin fassungslos und weiß nicht, ob ich lachen soll.

Frustriert betrachte ich den übrigen Haufen. Jeweils Zwei fünfundzwanzig Euro-Gutscheine sind noch da von beiden Plattformen.

Ich bin erleichtert – dann eben so.

Ich kämpfe mich an die Kasse und lasse etwas Schokolade mitgehen. Die Schlange ist lang und sehr impulsiv. Immer wieder gibt es Streit um das Geschenk, die Familie oder der Platz in der Schlange muss verteidigt werden.

Endlich an der Kasse. Das Lösegeld ist gezahlt und die Kaufschlacht vorbei. Ich habe gesiegt. Jetzt zählt noch die Festtage zu überwältigen.

 

von Jonathan Engert 

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