LitFair 2020 – Protagonisteninterview mit Anabelle (Tanja Meurer)
Anabelle stelle dich einmal kurz vor
Bon Jour, Ann‘. C’est très difficile. Meine französischen Wurzeln lassen sich schon wegen meines Accent nicht verleugnen. Leider bin ich in meinem Heimatland nicht besonders … gemocht.
Frage mich nicht näher nach dem Grund. Darauf zu antworten, würde nicht nur mich gefährden. Nur so viel: ich war eine der ersten Frauen, die an der Sorbonne studiert haben. Aujourd’hui – pardon – heute lebe ich in London und unterstütze Madame Zaida in ihrer Arbeit.
Was ist dein Beruf?
Scientifique, ich bin Wissenschaftlerin, Physikerin, baue aber auch Maschinen. In London darf ich diesen Beurf nicht ausüben. Es wurde mir unter strafe untersagt. Zaida zu unterstützen und in besonderen Fällen von Scotland Yard hinzugezogen zu werden, erfüllt mich nicht. Nur selten ist mir erlaubt, meine Fähigkeiten einzusetzen … C’est triste.
Wie würdest du die Beziehung zwischen dir und Zaida beschreiben
Nah, anders kann ich es nicht ausdrücken. Sie war die Erste, die mir Vertrauen schenkte, als niemand sonst es tun konnte und wollte. Zaida hat mich vom ersten Tag an beschützt. Damals wusste sie um die Gefahr, die von mir und den meinen ausging. Es hat sie nicht interessiert, sie verlangte, dass ich mich selbst beweise. Damit konnte ich nicht nur sie überzeugen, sondern auch Madame la Rein. Schließlich sogar Monsieur Hailey, Monsieur le Inspecteur. Ihr bin ich verbunden, zutiefst. Wenn ich einer Person Leben, Treue und Liebe schulde, dann ihr.
Welche Erkenntnisse hast du bereits über die Todesopfer
Un cadavre, zur Zeit ist es nur eine Leiche. Sie ist erfroren. Bei der Kälte in London ist das nicht einmal besonder. Viel mehr beschäftigt mich, wie eine arme Frau in den Hydepark gekommen ist. Mir scheint anhand ihres Erscheinungsbildes, als gehöre Sie vielmehr nach Ost-London. Auffallend waren bei der Untersuchung les dents, ihre Zähne. Sie waren gesund und gepflegt.
Beschreibe einmal kurz den Angriff des Unbekannten
Tempête, gel et cristaux de glace. Es war ein Sturm aus Eis, Schnee und Frost. Ich dachte, ich könne wiederstehen. Leider hat mein Körper unter dem Angriff Schaden genommen. Überall haben sich Ablagerungen in Form einer weisen, festen Patina in meine Gliedmaße gegraben. Les articulations, die Gelenke sind seither unbeweglich; so sehr, dass ich meinen stabilen Körper aufgeben um einen leichten ersetzen musste. Ich fühle mich schwach und angreifbar.
Zum Abschluss: welche Hobbies hast du?
Dazu bleibt mir keine Zeit. Zuvor, in Paris, bin ich den Beschäftigungen einer grand Dame nachgekommen, um meine eigentlichen Intérêts – ah, Interessen – zu verbergen. Theater, Konzerte, Soireen. Weigern konnte ich mich wenigstens gegen solch sinnlose Tätigkeiten wie Malerei, Dichtung und das Musizieren. Aber meine Schwester und ich … ich habe auch nie eine höhere Töchter-Schule besucht. Wir … ich wurde zu Hause unterrichtet.
Aber das alles ist lang her, ein mir heute fremdes Leben einer anderen Frau.